BHDS:Umgang mit extremen Parteien

Sehr geehrter Hochmeister, Fürst zu Salm-Salm,
sehr geehrter Bundesschützenmeister, Herr HOPPE,
meine Damen und Herren,
vielen Dank für die Einladung und die Möglichkeit, hier mit Ihnen ins Gespräch zu kommen.

Und das zu einem Thema, das leider aktueller nicht sein könnte: „Umgang mit extremen Parteien“.
Ich würde das Bild aber gerne noch etwas größer ziehen. Ich würde gern über die gesellschaftliche Entwicklung dahinter sprechen. Denn aus dieser entstehen Parteien. Und sie ist es ja auch, die sie prägen sollen.
Das war übrigens schon immer so. Parteien sind immer die auf Dauer ausgelegten, politischen Organisationsformen von gesellschaftlichen Trends. Das ist doch auch logisch. Dafür braucht man kein Politikprofessor zu sein, es reicht ein kurzer Blick zurück:
Mit dem Aufkommen einer ganz neuen gesellschaftlichen Ordnung im Zuge der Industrialisierung entstand die SPD. Hervorgegangen unter anderem aus dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADV), gegründet 1863. Gewissermaßen trägt der ADV den gesellschaftlichen Trend – die massenhafte Beschäftigung von Arbeitern in Fabriken – schon im Namen. Bei der CDU ist es nicht anders:
Hier war – seit 1945 bis zur Gründung der Bundespartei 1950 – der gesellschaftliche Trend der Säkularisierung maßgeblich. Wo in der Vergangenheit ein Kulturkampf zwischen Katholiken und Protestanten herrschte, sollten beide Konfessionen – religiös für sich, aber weltlich gemeinsam – für die Heimat eintreten.
Und auch bei der Grünen war es so: Der gesellschaftliche Trend, sich immer stärker für die Belange der Umwelt zu interessieren, hat letztlich 1980 im Westen zur Gründung der Grünen geführt. Auf dem Höhepunkt der Anti-Atom-Proteste gewissermaßen.
Jetzt sind diese drei Parteien – und natürlich auch weitere – Parteien einer demokratischen Mitte.
Die halten sich an gewisse Spielregeln. Und das ist der erste wichtige Unterschied zu extremen Parteien. Denen geht es am langen Ende nicht um Demokratie.
Denen geht es am langen Ende nicht um eine politische Arbeit im Sinne unserer Verfassung. Denen schwebt etwas anderes vor. Sie wollen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpfen und überwinden.
Dazu könnte Ihnen jetzt der Chef unseres nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes Jürgen Kayser einen abendfüllenden Vortrag halten.
Aber ich mache es gern auch mal an zwei, drei Beispielen fest, was das heißt. Stichwort: Linksextremismus.
Da gibt es zum Beispiel Parteien wie die Deutsche Kommunistische Partei – kurz DKP – und die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands – kurz MLPD.
Beide werden vom Verfassungsschutz NRW beobachtet. Beide Parteien wollen diesen Staat umbauen – und zwar gegen die Ideen, die von den Gründungsvätern des Grundgesetztes festgehalten wurden. Neue Gesellschaftsordnung statt Grundrechte. Revolution statt Reform. Diktatur statt Demokratie.
Im Übrigen: Einigen dieser Ideen sind Teile der Parteijugend der Partei DIE LINKE nicht abgeneigt. Deswegen wird auch diese Gruppierung beobachtet.
Das Gleiche gibt es auch im Rechtsextremismus.
Sie kennen die Partei vermutlich noch unter dem Namen Nationaldemokratische Partei Deutschlands – kurz NPD.
Heute nennen sie sich „DIE HEIMAT“. Im Grunde hat sich aber nur der Name geändert, Inhalte und Personen sind zu großen Teilen identisch geblieben. DIE HEIMAT wird auch vom Verfassungsschutz beobachtet. Denn hier steckt eine rechtsextremistische Ideologie dahinter. DIE HEIMAT phantasiert von einer Volksgemeinschaft – und agitiert damit gegen unser grundgesetzlich verankertes Prinzip der Staatsangehörigkeit.
Im Übrigen auch gegen das Prinzip der Menschenwürde - Artikel 1.
Was all diese extremen Parteien vereint: Ihre Gedanken sind gefährlich, sie selbst wurden es nie. Was schlicht und ergreifend damit zu tun hat, dass sie nie genug Wählerinnen und Wähler überzeugt haben, um wirklich etwas auszurichten.
Die meisten Bürgerinnen und Bürger wollen mit diesen Parteien nie etwas zu tun haben.
Das waren – auf gut Deutsch – Schmuddelkinder. Das ist auch heute noch so.
Einige dieser Ideen aber finden heutzutage oft wohlfeil verklausuliert plötzlich Anklang und Anhänger in der Gesellschaft.
Immer breitere Bevölkerungsschichten jedenfalls können sich vorstellen, Parteien und Parteivertreter zu wählen, die so denken, reden und manchmal auch handeln.
Und bei den jüngsten Bundestags- und auch Kommunalwahlen hier in Nordrhein-Westfalen sehen wir, dass solche Positionen auch gewählt werden.
Der offiziell mittlerweile aufgelöste, sogenannte „völkisch-nationalistische Flügel“ der AfD zum Beispiel vertritt ein Menschenbild von Vor-vor-gestern. Staatsvolk statt einer Bevölkerung. Entscheidend dafür, ob man dazugehört, ist die Abstammung, nicht der Ausweis.
Die Junge Alternative – bis zuletzt die Jugendorganisation der AfD, mittlerweile aufgelöst – pflichtete bei. Beide finden sich im Verfassungsschutzbericht in NRW.
Auch hier soll übrigens ein neuer Name helfen: „Generation Deutschland“. Ich habe da so meine Zweifel. Das Problem ist aber nun: Mittlerweile geht von Politikern dieser Spektren eine Gefahr aus. Weil es genügend Bürgerinnen und Bürger gibt, die Ihr Kreuz an der entsprechenden Stelle machen. Bei einer Partei, die öffentlich von Remigration schwadroniert. Das fordert zum Beispiel Irmhild Boßdorf. In einer Bewerbungsrede für ein politischen Mandat hat sie gesagt – ich zitiere: „Es ist egal, wie die Frage lautet. Die Antwort lautet: millionenfache Remigration“. Im Übrigen – ich zitiere weiter: „Push-Backs, egal was der Europäische Gerichtshof sagt.“ Rechtsstaatsprinzip Fehlanzeige.
Die Frau sitzt seit 2024 im Europaparlament. Ein ehemaliger Europa-Abgeordneter aus derselben Partei – Gunnar Beck – fordert, Zitat: „Die Auflösung der EU und ihre Neuordnung.“
Vieles davon steht so oder so ähnlich – teils deutlicher, teils verklausuliert – auch in Wahlprogrammen.
Da dreht sich mir als ehemaligen Abgeordneten, der lange in Brüssel arbeiten durfte, und als überzeugtem Europäer der Magen um.
Wieso bekommen solche Leute stimmen? Welche gesellschaftlichen Trends sorgen denn für die aktuellen Umfrage- und Wahlergebnisse, nach denen populistische und extremistische Positionen immer salonfähiger werden?
Ich glaube – und damit bin ich nicht allein – die Überschrift heißt: Vertrauenskrise. Und ich muss sagen, dass mir das Sorgen bereitet.
Denn, was wir aktuell erleben können, ist eine Vertrauenskrise, die ich so noch nicht erlebt habe.
Es geht dabei nicht um Misstrauen gegen einzelne Politiker oder einzelne Parteien.
Das gab und gibt es immer – beliebtere und weniger beliebte Politiker.
Bessere und schlechtere Zeiten für einzelne Parteien und ihre Konzepte. Heute ist es eher so, dass viele Menschen unserem Staat in Gänze nicht mehr zutrauen, die Probleme in den Griff zu kriegen.
Drei von vier Menschen in unserem Land denken so – 73%, laut einer aktuellen Forsa-Umfrage. Viele ziehen da schon Vergleich zu den letzten Jahren der Weimarer Republik.
Natürlich muss man sich da die Frage stellen, warum das so ist.
Denn, wenn man mal nüchtern auf unser Land schaut, können wir eigentlich zufrieden sein. Hier herrscht Frieden, Freiheit, Wohlstand.
Übrigens in einer Form und Beständigkeit, die wir so nicht kannten in einem Land, das sich in irgendeiner Art und Weise „deutsch“ genannt hat.
Im internationalen Vergleich gehören wir immer noch zu den Weltmeistern, was das angeht. Wir leben zwar nicht auf der Insel der Glückseligen, aber alles in allem ging und geht es uns sehr gut hier. Woher kommt das also?
Nicht wenige machen dafür die sogenannte „Multikrise“ verantwortlich. Gemeint sind damit die zahlreichen Krisenherde: Erst die weltweite Coronapandemie, dann der Krieg in der Ukraine, der Terrorangriff der HAMAS auf den Staat Israel und nicht zuletzt die Unsicherheiten durch den nicht ganz unkomplizierten Präsidenten der USA.
Dazu haben wir natürlich auch genügend Herausforderungen im eigenen Land, die es anzupacken gilt: steigende Preise, schwächelnde Wirtschaft, Zuwanderung. Kurzum: Die Probleme sind groß und sie sind zahlreich.
Das spüren wir alle. Logisch, dass diese Probleme am Zutrauen der Menschen kratzen.
Der Psychologe Stephan Grünewald – der noch vor Kurzem beim Kanzler war – nennt das auch Ohnmacht.
Er sagt: Die Menschen ziehen sich dann in ein „Schneckenhaus“ zurück – und warten im Grunde auf denjenigen, der sie aus dieser misslichen Lage zu befreien verspricht. So nach dem Motto: Alles ist besser als das. Das mag ein Teil der Antwort sein.
Aber dieser Lichtblick, der könnte ja auch von denjenigen ausgehen, die nicht populistisch oder extremistisch unterwegs sind. Ich glaube, wir – und damit meine ich vor allem uns Politiker selbst, die seit vielen Jahren Verantwortung übernehmen in Regierungen – wir müssen uns auch an die eigene Nase fassen.
Unabhängig von der parteipolitischen Farbe übrigens.
Denn wenn man sich den politischen Betrieb der letzten Jahre etwas genauer anschaut, dann ging es sehr um höher, schneller, weiter.
Parteien und Politiker haben immer noch einen dicken Spruch draufgesetzt, noch etwas mehr vom Kuchen versprochen, sich ein bisschen stärker über den Anderen aufgeregt.
Ich war ja mal Generalsekretär meiner Partei – ich habe das auch ganz gut beherrscht.
Allerdings noch zu einer Zeit, in der es keine digitalen Netzwerke gab.
Heute zündet der Mechanismus da nochmal ganz anders. Das liegt vor allem auch – aber nicht nur – an den Populisten. Je schriller, je lauter, je extremer – desto mehr Klicks, Follower, Reichweite. Besonders gut zu beobachten ist das bei TikTok. Die Politik stellt damit die Geduld und die Gutmütigkeit der Menschen auf eine harte Probe. Und das ist der andere Teil der Antwort.
Was nämlich von all den dicken Sprüchen, gegebenen Versprechen und der vielen Aufregung am Ende übrigbleibt, ist zu oft Enttäuschung.
Denn die Welt ist komplizierter als ein dicker Spruch. Ein Versprechen einzulösen geht nicht von jetzt auf gleich. Und sich immer nur über alles und jeden aufzuregen, bringt übrigens auch nichts. Das führt nur zu einer Blockade. Ich möchte das mal an einem Beispiel deutlich machen, das noch nicht allzu lang zurückliegt ist.
Ausgangspunkt ist das, was unser Bundeskanzler vor einigen Wochen gesagt hat – Stichwort: „Stadtbild“. Ob die Ausdrucksweise jetzt besonders toll war oder nicht, lasse ich mal dahingestellt. Aber was in der Folge passiert ist, ist leider typisch.
Anstatt sich nämlich mit der Sache an sich auseinanderzusetzen - also mit der unbestreitbaren Tatsache, dass die Wahrnehmung der Menschen zu dem, was heutzutage auf den Straßen stattfindet, von dem Bild unterscheidet, das wir noch vor 20 Jahren hatten und dass dies die Vermutung zulässt, dass dadurch wiederum Ängste und Sorgen ausgelöst werden - statt sich also damit zu beschäftigen und über eine Lösung nachzudenken, arbeiten sich jetzt die allermeisten wieder an dem Modus ab, wie es gesagt wurde.
Da gibt es dann die einen, die sagen: Endlich sagt es mal einer. Und die anderen, die rufen: Rassismus. Das ist genau dieser Reflex, der uns nicht weiterbringt.
Das ist eine Diskussion wie ein Kammerflimmern: sehr aufgeregt und sehr wenig zielgerichtet. Wäre es denn nicht klüger, wenn wir fragen würden: Wie wollen wir denn mit diesem diffusen Gefühl umgehen, das viele Menschen umtreibt? Selbst, wenn sich vielleicht nicht alle daran stören. Dafür muss man natürlich differenziert draufschauen.
Natürlich sorgen junge Männer, die in der Gruppe an Bahnhöfen rumlungern und sich nicht an Regeln halten, bei vielen Menschen für Unwohlsein.
Und wenn es dann mutmaßlich auch noch Menschen ohne Arbeit und ohne Bleibeperspektive sind, dann wird aus dem Unwohlsein schnell Unzufriedenheit.
Das Problem muss man benennen und das Problem muss man lösen.
Davon abgrenzen muss man natürlich zugewanderte Arbeitskräfte, die hier ihren Beitrag leisten, Geld verdienen, Steuern zahlen und sich an die Regeln halten.
Davon abgrenzen muss man natürlich Asylbewerber, die sich redlich bemühen, Fuß zu fassen, sich einbringen wollen und oft besser Deutsch sprechen als so mancher, der hier aufgewachsen ist.
Nur der differenzierte Blick, der differenzierte Diskurs erlaubt uns eine Lösung des Problems. Stattdessen wird aber über das Gezänk der Politik berichtet und jede Überbietung als neue Schlagzeile gebracht. Und das sorgt dann natürlich für den Eindruck, dass die Politik die Probleme nicht sieht und nicht löst.
Das sind gewissermaßen die beiden Zutaten für die aktuelle Lage: Die gefühlte Ohnmacht im Schneckenhaus und die gefühlte Blockade einer Lösung.
Diese Gemengelage ruft jetzt Leute auf den Plan, die sich auf das Geschäft mit der Angst verstehen. Die vermeintliche Lösungen auf Knopfdruck und einfache Antworten haben. Viele Leute wählen diese Scheinlösungen. Das haben unter anderem die vergangenen Bundestagswahlen gezeigt. Dabei haben diese Parteien überhaupt keine Lösung parat. Und im Grunde weiß das auch jeder.
Jedenfalls werden populistische Parteien nicht gewählt, weil sie mit eigenen Konzepten überzeugen können.
Das hat der ARD-Deutschlandtrend in einer Umfrage noch vor Kurzem verdeutlicht.
Die eigenen Konzepte waren dabei der schwächste Grund für die Wahlabsicht.
Und das deckt sich ja auch mit der Zielvorstellung. Würden Probleme gelöst, würden Populisten schwächer. Kommen alle wieder aus ihren Schneckenhäusern, werden Populisten überflüssig. Das war übrigens auch in der Endphase der Weimarer Republik nicht anders. Populisten und Extremisten geht es daher vor allem darum, gegen unseren Staat zu hetzen, weitere Unruhe und weiteren Unfrieden zu stiften, unsere Demokratie madig zu machen und staatliche Institutionen in Frage zu stellen. Diesen Leuten dürfen wir nicht das Feld überlassen. Aber klar ist auch: Es muss sich etwas ändern.
Die Gesellschaft ist im Kammerflimmern. Eine ehrliche und differenzierte Diskussion auf dem Weg zur Lösung wäre das, was wir brauchen – gewissermaßen einen Defibrillator.
Populisten und Extremisten aber lösen kein Problem, sie erhöhen eher noch den Blutdruck, um die Situation zuzuspitzen. Wie sollen wir damit umgehen?
Dazu wüsste ich gerne einen Zauberspruch, der alle Probleme löst. So nach dem Motto: Simsalabim. Aber das ist natürlich Quatsch. Ich bin kein Zauberer und so geht es auch nicht. Allerdings habe ich im Laufe der letzten Jahre eine sehr interessante Erfahrung gemacht. Und die möchte ich gern mit Ihnen teilen. Die meisten Menschen erwarten nämlich gar keine Wunder. Die Menschen erwarten, dass man die Probleme benennt, die da sind. Die Menschen erwarten, dass man sie anspricht und nicht – aus einem falsch verstandenen Verständnis von „Political Correctness“ – verschweigt.
Denn nur, wenn man Probleme benennt, kann man auch Lösungen entwickeln und handeln. Dabei dürfen wir nicht zu viel versprechen. Wir müssen kleine Schritte machen anstatt dicker Sprüche.
Ich möchte das am Beispiel der Clankriminalität deutlich machen. Als ich 2017 ins Amt kam, hat sich niemand um das Thema gekümmert. Es wurde politisch verschlafen, vielleicht sogar bewusst kleingeredet.
Was glauben Sie, was da los war, als ich 2018 gesagt habe, dass wir das Thema jetzt angehen - Stichwort: Stigmatisierung.
Aber ich habe mich bewusst entschieden, das Problem in Angriff zu nehmen. Denn Probleme, die ich nicht angehe, verschwinden nicht – sie werden größer und holen Verstärkung. Deswegen haben wir uns da auch gekümmert.
Und das hat sich als goldrichtig erwiesen. Zumal wir heute besser wissen als damals, dass Clankriminalität keine Kleinkriminalität ist.
Das ist nicht nur ein bisschen unversteuerter Schischa-Tabak, sondern Rauschgift- und Waffenhandel, Geldwäsche, Menschenhandel, Zwangsprostitution, Erpressung.
Clankriminelle ziehen in 20 Prozent der Verfahren der Organisierten Kriminalität die Fäden.
Clankriminalität ist aber nicht nur Organisierte Kriminalität. Clankriminalität ist auch aggressives Machtgehabe in der Öffentlichkeit, Provokation von Gewalt mit dem Ziel, Straßen und Plätze für sich zu reklamieren. Clankriminalität heißt: Tumultlagen, Situationen mit zig Beteiligten, so dass Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, das ist hier nicht mehr meine Stadt, das hier ist nicht mehr mein Land. Diese Wirkung von Clankriminalität ist Teil des Geschäftsmodells. Da dröhnen dann aufgemotzte, hochpreisige Fahrzeuge durch Innenstädte und bei nichtigen Anlässen verhält man sich respektlos, aggressiv und gewalttätig gegenüber der Polizei, dem Rettungsdienst und der Justiz. Da fragen sich die Leute auf der Straße zurecht: Wie kann das sein?
Klar ist: Wir dürfen sie nicht hinnehmen. Denn es gilt das Recht des Staates, nicht das Recht der Familie. Wir müssen mit allen Mitteln des Rechtsstaats gegen diese Leute vorgehen. Und das tun wir auch.
Und zwar Stück für Stück, mit unserer Null Toleranz-Strategie.
Die besteht aus den drei Säulen Razzien, Finanzermittlungen und Prävention.
Bei der Clankriminalität hatten wir seit Mitte 2018 mehr als 4.200 Kontrollaktionen, bei denen die Polizei zusammen mit anderen Behörden rund 10.500 Objekte durchsucht hat (Stand 04.11.2025).
Das sind in Summe mehr als 5.500 Strafanzeigen, über 8.500 Ordnungswidrigkeitsanzeigen und fast 20.000 Verwarngelder.
Statistisch gesehen haben wir seit Mitte 2018 jeden zweiten Tag von Amts wegen ein Objekt geschlossen.
Mehr als 22 Millionen Euro konnten wir schon sicherstellen. Da sind wir noch lange nicht am Ende, da bleiben wir dran und müssen dranbleiben. Wir gehen ja auch ein Problem an, das jahrzehntelang ignoriert wurde. Natürlich gibt es auch heute noch Clankriminalität. Aber es gibt einen Etappensieg. Die Menschen sehen die Polizeipräsenz, sehen die Razzien, sehen, dass wir uns nicht mehr von kriminellen Clans auf der Nase herumtanzen lassen. Die Anzahl der Tumultlagen – eine klassische Erscheinungsform des Konflikts rivalisierender Clanfamlien in der Öffentlichkeit – sind massiv zurückgegangen.
In 2018 gab es davon noch 179. Auf gut Deutsch: Jeden zweiten Tag irgendwo in NRW.
Im ganzen vergangenen Jahr lagen wir nur noch bei 19 Tumultlagen. So viele hatten wir 2018 in einem Monat.
Auch Provokationen wie Hochzeitskorsos mit massiven Behinderungen gehen zurück.
Ich möchte mal daran erinnern: Allein im April und Mai 2019 hatten wir statistisch jeden Tag 2 Polizeieinsätze wegen Hochzeitskorsos.
An die Blockade auf der A3 bei Ratingen erinnert sich vielleicht noch der ein oder andere. Heute hören wir davon nichts mehr. Und die Bürgerinnen und Bürger honorieren das. Das sorgt dafür, dass die Menschen Polizei und damit dem Staat vertrauen, weil sie merken, dass sich endlich was bewegt. Das ist auch der Grund, warum ich habe untersuchen lassen, inwiefern sich ähnliche Strukturen auch bei syrischen Zuwanderern herausbilden.
Denn die heutigen türkisch-arabischstämmigen Clankriminellen haben sich auch aus einer Zuwanderungssituation heraus entwickelt, die kaum Perspektiven für die Menschen geboten hat.
Die gute Nachricht ist, dass das, was wir mit Clankriminalität meinen, bei Syrern aktuell noch keine Rolle spielt. Aber es gibt eine Ausgangslage, die wir im Blick behalten.
Denn es kann ja nicht angehen, dass dieser Vorgang nochmal stattfindet und es wieder 30 Jahre dauert, bis der Staat reagiert.
Vollkommene Entwarnung gibt es bezüglich der Syrer aber dennoch nicht.
Denn, was im Bereich der Straßenkriminalität aufgefallen ist: Syrische Tatverdächtige sind besonders gewaltbereit – und häufig mit einem Messer bewaffnet.
Auch dieses Thema habe ich mir genau angeschaut. Auch da hieß es wieder: „Können Sie nicht machen.“ Die Wahrheit ist: Doch, kann man und muss man sogar.
Und wenn man auch hier genau hinschaut, dann kommen zwei spannende Erkenntnisse raus. Erstens: Ein großer Anteil der Messertaten findet im häuslichen Umfeld statt.
Meistens begangen durch die Lebensgefährten oder ehemalige Lebensgefährten. Das ist also häusliche Gewalt. Hier sind die Tatverdächtigen überwiegend deutsche Staatsangehörige. Zweitens: Der andere Teil der Messertaten, derjenige Teil, der im öffentlichen Straßenraum passiert, der wird überwiegend von anderen Tatverdächtigen verübt:
Junge Männer, nichtdeutsch oder mit Migrationshintergrund. Also eine ganz andere Täterstruktur. Unter anderem die eben angesprochenen Syrer. Und daher braucht es ganz andere Gegenmaßnahmen. Hier arbeiten wir zum Beispiel mit den Waffenverbotszonen. In Köln gab es – zusammen mit Düsseldorf – 2021 die erste dauerhafte Waffenverbotszone. Mittlerweile haben wir in Köln drei davon: auf den Ringen, der Zülpicher Straße und am Wiener Platz. Und in Bielefeld, Bonn, Hamm und Münster gibt es auch welche. Diese Zonen sind kein Alleilmittel, das ist klar.
Aber mit jedem Messer, das wir damit aus dem Verkehr ziehen, kann niemand mehr verletzt werden.
Und auch da sagen mir die Leute, wenn ich unterwegs bin: Gut, dass das Problem erkannt wurde und dass gehandelt wurde.
Drittes Beispiel: Nennung von weiteren Staatsangehörigkeiten in der Polizeilichen Kriminalstatistik.
Die Kritik daran kann ich verstehen. Argumentation: Damit würde man Ressentiments schüren. Ich habe mir die Entscheidung auch nicht leichtgemacht. Aber wenn ich das nicht mache, dann öffne ich jedem politischen Märchenerzähler Tür und Tor für seine Verschwörungstheorie, wieso der Staat die weiteren Nationalitäten eigentlich verheimlicht. An diesem Schauspiel nehme ich nicht Teil.
Wir werden die Nationalitäten von Tatverdächtigen jetzt gänzlich ausweisen, sofern wir sie kennen. Übrigens auch diejenigen der Opfer – das ist auch neu. Das passiert ohne Wertung. Und damit können mündige Bürgerinnen und Bürger auch umgehen, glaube ich. Im Übrigen: Vielleicht ergeben sich dadurch sogar neue Präventionskonzepte.
Weil kriminologische Forschung, die ja maßgeblich mit diesen Statistiken arbeitet, plötzlich neue Ansatzpunkte hat.
Wenn wir den Kopf in den Sand stecken, wenn wir beschönigen, verschweigen und so tun, als gäbe es das nicht, dann leidet das Vertrauen immer weiter. Wenn wir nicht sagen, was Sache ist, bringt das die Leute auf die Zinne. Das ist doch die Mutter aller Probleme: nicht das Problem selbst, sondern das „Drumherumreden“.
Deshalb möchte ich uns als Gesellschaft den Ratschlag geben, weniger aufgeregt zu diskutieren. Weniger Kammerflimmern, ruhigerer Puls. Mit weniger Scheu, aber nicht undifferenziert. Und mehr über den Kern, nicht Drumherum. Dann gelingt es auch, Probleme zu benennen und anzupacken.
Auch, wenn ich einiges von dem, was ich beschrieben habe, schon in der letzten Legislaturperiode begonnen habe, führe ich es jetzt fort – und habe es noch um manche Facetten erweitert. Und das in einer Landesregierung von Grünen und CDU.
Hätten Sie mir vor einigen Jahren gesagt, dass ich in dieser Konstellation gegen Clankriminalität und ausländische Messertäter vorgehe – in einer Koalition mit den Grünen – ich hätte es vermutlich nicht für möglich gehalten. Aber es geht, es klappt – und das sogar ziemlich gut. Das macht mir Mut. Denn es zeigt, dass Politik doch dazu im Stande ist – auch, wenn man aus unterschiedlichen politischen Ecken kommt – Probleme zu benennen und anzugehen.
Auch, wenn wir sicher noch einiges zu tun haben, ist das Konzept dieser Landesregierung dabei einfach: Kümmern wir uns um die Probleme, nicht um uns selbst.
Bei allen Krisen in der Welt gibt es im Leben eines jeden Menschen nicht nur das kleine Schneckenhaus als Rückzugsort. Es gibt auch größere Schutzräume, die Sicherheit und Geborgenheit bieten. Es gibt gesellschaftliche Schutzräume. Und damit bin ich auch bei Ihnen, bei den Schützenbruderschaften. Denn: Der Mensch ist ein „soziales Wesen“ und sehnt sich nach Zugehörigkeit, nach Gemeinschaft, nach Miteinander und Austausch. Das alles findet er in der Bruderschaft. Hier finden Menschen Wärme, Nähe, Gemeinschaft. Hier können sie sich mitteilen und austauschen. Hier entstehen Freundschaften und Verbindungen zu anderen Menschen, die über Jahrzehnte währen.
Das alles bietet Halt und Schutz. So kann eine gute Gemeinschaft auch so manche Verunsicherung aufwiegen. Und davor schützen, falschen Propheten nachzulaufen.
Kurzum: Ich schätze Ihre Sache, Ihre Ideale, Ihr Engagement sehr.
Man sagt Ihnen das viel zu selten, aber Sie leisten wirklich eine großartige Arbeit.
Eben nicht nur in Sachen Sport oder Brauchtumspflege, sondern gesellschaftlich. Dafür möchte ich Ihnen danken. Mehr noch: Ich halte das, was Sie alle machen, was Sie hier verbindet, heutzutage für wichtiger denn je.
Deswegen kann ich nur sagen: Machen Sie weiter und werden Sie nicht müde, die Menschen für Ihre Sache zu begeistern. Denn unser Land braucht Sie. Unser Land braucht das Schützenwesen - dringender denn je.